Oft sieht man in Bereichen von Baustellen oder unbewachten Grundstücken ein Schild mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“. Dies ist jedoch grundsätzlich nicht immer der Fall. Eltern haften nur dann, wenn eine sogenannte Aufsichtspflichtverletzung vorliegt. Wie die Aufsichtspflicht definiert ist, lässt sich grob damit umschreiben, dass mit dem steigenden Alter des Kindes die Aufsichtspflicht der Eltern grundsätzlich abnimmt. Dies bedeutet, dass auch bei Kleinkindern nicht nur eine Aufsichtspflicht besteht, sondern hieran auch strengere Maßstäbe anzulegen sind. Wie streng zeigt sich in einem nun entschiedenen Fall des OLG Oldenburg (Urteil vom 20.04.2023, Aktenzeichen 14 U 212/22).

In dem entschiedenen Fall hatte eine Mutter ihr zweieinhalbjähriges Kind zum Ende eine Veranstaltung auf den Beifahrersitzung gesetzt. Dort befand sich der Kindersitz. Sie hat ihren Sohn zunächst nicht angeschnallt und ging noch einmal zurück ins Haus. Der Fahrzeugschlüssel lag in der Mittelkonsole. Vor dem Auto saß auf einer Bank die Großmutter des Kindes. Das Kleinkind krabbelte vom Kindersitz, nahm den Autoschlüssel an sich und steckte diesen in das Zündschloss. Das Kind startete den Wagen. Das Auto „sprang“ nach vorn und verletzte die vor dem Fahrzeug befindliche Großmutter des Kindes schwer. Sie erlitt erhebliche Verletzungen im Kniebereich und musste mehrfach operiert werden.

Der Rechtsstreit entwickelte sich daraus, dass die Krankenkasse die Kindesmutter (möglicherweise auch gegen den Willen der Großmutter) in Anspruch genommen hat. Die Krankenkasse vertrat die Ansicht, dass die Kindesmutter ihre Aufsichtspflicht verletzt hat. Dem trat die Kindesmutter entgegen und vertrat die Ansicht, dass mit dem Verhalten des Kindes nicht zu rechnen gewesen sei und sie auch lediglich maximal zwei Minuten das Kind habe allein gelassen.

Erstinstanzlich wurde die Klage der Krankenkasse zunächst abgewiesen. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass hier eine äußerst ungewöhnliche Kausalkette vorlegen habe. Typischerweise hätte die Kindesmutter nicht damit rechnen können und müssen, dass ihr zweieinhalbjähriges Kind das Fahrzeug startet. Die eingelegte Berufung der Krankenkasse hatte beim OLG Oldenburg erfolgt. Das OLG stellte fest, dass die Kindesmutter grundsätzlich für ihr Kind aufsichtspflichtig sei. Der Sachverhalt in der Gestalt, dass das Kleinkind unangeschnallt im Auto auf dem Beifahrersitz zurückgelassen wurde und der Autoschlüssel sich in unmittelbarer Sichtweite des Kindes befunden habe, habe nach Ansicht des OLG Oldenburg eine erhebliche Gefahr geschaffen. Es sei nach Ansicht des OLG Oldenburg auch nicht völlig außergewöhnlich, insbesondere auch nicht fernab jeder Vorstellungskraft, dass ein Kind in dem Alter einen Schlüssel, auch einen Autoschlüssel oder vielleicht sogar insbesondere einen Autoschlüssel, greift und versucht, die Handlung eines Erwachsenen nachzuahmen. Weiter führte das OLG Oldenburg aus, dass es hier auch ein Leichtes gewesen wäre, diese Gefahr zu unterbinden. Die Kindesmutter hätte den Autoschlüssel mitnehmen können, sie hätte ihr Kind im Kindersitz festschnallen können oder Sie hätte einen Dritten bitten können, auf das Kind zu achten. Aus diesem Grund nahm das OLG Oldenburg eine Haftung der Kindesmutter an.

Dieser Fall zeigt, wie umfassend Aufsichtspflichten und wie schwerwiegend Verstöße gegen die Aufsichtspflicht sein können. Im vorliegenden Fall dürften die Forderungen aufgrund der Erheblichkeit der Verletzung und der Behandlungskosten für die Großmutter des Kindes im hohen fünfstelligen Bereich gelegen haben.

Für den Fall, dass Ihr Kind, egal welchen Alters, einen Schaden verursacht haben soll und nicht Ihr Kind, sondern Sie selbst in Anspruch genommen werden, empfiehlt es sich, anwaltliche Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Kanzlei Am Neutor steht Ihnen mit Herrn Rechtsanwalt Zumdick für ein erstes Beratungsgespräch zur Verfügung. Aber auch, wenn Sie einen Schadensfall erlitten haben und Ihnen gegenüber behauptet wird, dass dieser durch ein Kind verursacht worden ist und dieses nicht haftet bzw. vermögenslos sei, steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Zumdick für ein erstes Beratungsgespräch zur Verfügung. Bitte vereinbaren Sie hierzu einen persönlichen oder gern auch telefonischen Besprechungstermin.